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Die nackte Nordmann-Tanne

Dieses Jahr soll alles anders werden, haben sich Heidi und Gerd vorgenommen. Z.B. den Weihnachtsbaum nicht auf den letzten Drücker kaufen. Schließlich möchte man sein
Lieblingsexemplar aussuchen können. So wurde drei Wochen vor Weihnachten eine wunderschöne Nordmanntanne für 35 Euro eingekauft. Gerd war für den Kauf zuständig, da Heidi mit anderen Dingen, die auch zum Fest gehören, beschäftigt war. Außerdem ist Weihnachtsbaumkauf Männersache.

Wie gesagt, der Baum, den Gerd heim brachte, war ein Prachtstück. Der Händler schob ihm ein großes Netz über, und das Schmuckstück trat, auf dem Autodach verzurrt, die Heimfahrt an.
Zuhause wurde der Baum an den Balkon gelehnt in eine Wasserschüssel gestellt. Bis zum Fest waren es noch drei Wochen. Und die Tanne sollte ja am Weihnachtsabend frisch und wie gerade aus dem Wald geholt aussehen.

Und dann kam zur Überraschung der beiden wenige Tage vor Heiligabend ein Hilferuf aus Dresden. «Enkel erkrankt. Omi und Opa, wir brauchen eure Hilfe». Also musste wieder umgeplant werden. So wurde der Tannenbaum schon am vierten Advent aufgestellt, denn die letzten Tage sind immer hektisch. Außerdem wussten sie noch nicht genau, wann sie wieder Zuhause sind.

Einen Tag vor Heiligabend waren sie wieder daheim. Nun sollte der Weihnachtsbaum geschmückt werden. Die Lichterkette hatte Gerd noch vor ihrer Abfahrt angelegt. Unter der Nordmanntanne sah man schon verräterische Spuren. Heidi sah es wohl, maß dem aber wohl doch nicht so viel Bedeutung bei. Als sie den Baum mit Kugeln und Lametta schmücken wollte, traute sie ihren Augen nicht. Bei jeder Berührung elen die Nadeln. Und so erheblich, dass schon kahle Zweige zusehen waren.

«Gerd, komm bitte mal her und sieh Dir den Baum an. Das ist keine Nordmanntanne, das ist ein gerupftes Huhn, ein hässliches Entlein. Was sollen unsere Enkelkinder denken. Der Baum bleibt nicht hier. Den bringen wir dem Händler zurück. Der soll sehen, was er uns verkauft hat.» Naja, das ist nicht so Gerds Ding. Aber Heidi lässt nicht locker. Der Baum wurde wieder in seine alte Umhüllung gesteckt, auf das Autodach geschnallt und ab ging’s zum Händler. Der war gottseidank noch da und wollte seine letzten Tannenbäume noch los werden.

Heidi stellt den vormals schönen Baum vor dem Händler auf. Der besieht sich den Schaden. «Haben Sie den auch in Wasser gestellt aufbewahrt?» Heidi nickt. Der Händler schüttelt den Kopf. Will sagen, so etwas habe ich noch nicht erlebt. «Wissen Sie, ich kann auch nichts dafür. Der Baum ist höchstwahrscheinlich zu früh eingeschlagen worden.» «Dafür kann ich auch nichts», erwidert Heidi. «Wir haben eine stattliche Summe für die Nordmanntanne bezahlt, dafür möchten wir unseren Kindern und Enkeln einen schönen Baum präsentieren.» «Na gut, weil morgen Heiligabend ist und Sie ihre Kinder und Enkelkinder erwarten, nehme ich den Baum zurück. Sie können sich einen neuen aussuchen.»

Und so kam es, dass es doch noch ein schönes Weihnachten wurde. Die Enkel bewunderten den liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum und wussten nicht, welche Arbeit, welche Mühe Oma und Opa dieses Jahr mit dem Tannenbaum hatten.

So wurde aus dem hässlichen Entlein ein wunderschöner Schwan.

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